@ Alisa Matern
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TATORT

Wer war zuerst da, die Tat oder der Ort? Sind es die Handlungen der Täter*innen oder die der Zeug*innen, die den Begriff des Ortes um die Tat erweitern? Welche Art von Taten sind es überhaupt, die es vermögen sich Orte anzueignen?

Ein Semester lang behandelt die LV die Thematik des Tatortes. Die Logik der Geschichtsschreibung ist auf Tatorte angewiesen. Aber wer entscheidet über Tat oder Untat, über Ort oder Unort? Alles was per Definition keine Tat war, wird nicht verortet, fand somit faktisch nicht statt. Die Kunst war und ist hier als Medium kritischer Hinterfragung anerkannter und/oder nicht anerkannter Tatorte eingesetzt worden. Seit ehedem beschäftigen sich Künstler*innen mit der Beziehung von Ort und Geschehen. Das Auge der Künstler*in am Tatort kann wie ein chronistisches Instrument der Spurensicherung verstanden werden.

Vor allem das Medium der Fotografie steht in ihren Anfängen stellvertretend für den Diskurs über Wahrheit und Fiktion, über Tatsachen und Tatmachen. Mit Aufkommen der ortsbezogenen Kunst im 20 Jhdt. werden öffentliche Räume zu Tatorten und Künstler*innen zu kunstschaffenden Täter*innen. Performative, skulpturale und fotografische Arbeiten erzählen dabei von ortsspezifischen Geschehnissen und kulturpolitischen Diskursen.

Gemeinsam mit einer Künstlergruppe aus Istanbul werden in der LV künstlerische Strategien entwickelt, um Linzer (Un)Tatorten präzise auf den Grund gehen zu können. Die Wahl des künstlerischen Mediums steht frei, wobei der Fokus auf Fotografie, Video und Zeichnung liegt. Kollaboration mit anderen Studierenden sind möglich. Zentrale Fragestellungen sind: Welches Potential bieten künstlerische Auseinandersetzungen mit bereits anerkannten und/ oder noch unbekannten Tatorten? Wo sind Stärken und wo sind die Grenzen einer investigativen Kunst?

Aufgrund der Quarantäne Bestimmungen wegen der Corona Krise haben wir unsere Lehrveranstaltung zur Gänze auf Online-Lehre umgestellt. Unser erstes Treffen war zum Thema

Unter den Masken der Quarantäne 01.04.2020

Wir beschäftigten uns mit Schutzanzügen / sterilen Anzügen und (Sicherheits-) Masken, die aus zu Hause vorfindbaren Materialien (Kunststoffsäcke/Müllsäcke/Textilien/etc.) anfertigbar sind und die sowohl für "den Krieg gegen den unsichtbaren Gegner“ (D.Trump), als auch für den Einsatz an Tatorten (Spurensicherung) geeignet sind.
Konzeptuell können die Anzüge in unterschiedliche Richtungen gehen, zum einen das Konzept Sterilität und Sicherheit verfolgen, zum anderen können sie eine religiöse und/ oder mystisch/mythische Ausrichtung aufweisen und im Tanz ein Mittel gegen ansteckende Fledermäuse oder Gürteltiere darstellen. Durch die Anzüge sind die Teilnehmer*innen der Videokonferenz voreinander geschützt.

Das Fenster zum Hof 22.04.2020

Gestrandet in unseren Quarantänequartieren fallen die Blicke aus den Fenstern auf ungewohnte Winkel und Ecken, auf neue Gesichter und Szenen des Lebens. Die zweite Aufgabe dreht sich um das Phänomen der obsessiven Observation: Wie der Hauptdarsteller Jeff in A. Hitchcocks Film " Das Fenster zum Hof" (1954) aufgrund eines gebrochenen Beines zum neurotischen Ermittler wird, so begeben wir uns in häuslicher Quarantäne auf Spurensuche nach den Tatorten unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Der Beschaffenheit des Beweismaterials sind keine Grenzen gesetzt, nur bitte im gesetzlichen Rahmen bleiben.

Online Lecture mit Orhan Cem Cetin und Ezgi Bakcay vom Karsi Sanat, Istanbul, 30.04. + 07.05.2020

Crime Scene of Pandemic

"It’s obviously a crippling, transnational, organized crime that has been committed synchronically in the whole urban open spaces of the world. All over the world, the public spaces look like a crime scene: Closed, isolated, silent, deserted, detected, surveilled. Just the police and the doctors, wearing protective masks, glows and scrubs are inside. They are running a secret investigation in the most hygienic way possible. Meanwhile outside the crime scene, the citizens are in closure. To protect the citizens or/and the crime scene, the authorities say to the people: Stay at home! Close the door! Survive! Because the criminal is invisible and he could be everywhere."